back

Kurt Gödel – I do not fit into this century

back
Feature-Skript von Constanze Kurz

Männliche Stimmen: Sprecher 1, Zitator
Weibliche Stimmen: Sprecher 2, Sprecher 3

Erste Aufführung: 27. Dezember 2008 im Rahmen des 25c3 des Chaos Computer Clubs.

[Raum abdunkeln.]
[Musik einspielen, stehenlassen, dann leiser werdend.]

Sprecher 1:

Kurt Gödel – I do not fit into this century. Ein Audio-Feature von der Hörspiel-Werkstatt der Humboldt-Universität zu Berlin.

Erste Szene: Der kleine Herr Warum
[Musik wieder lauter werdend, während des ersten Abschnitts ausblenden.]

Sprecher 1:

Das Time Magazine reiht Kurt Gödel unter die einhundert wichtigsten Personen des zwanzigsten Jahrhunderts, obwohl er als Wissenschaftler in seinem gesamten Arbeitsleben weniger als einhundert Seiten publiziert hatte. Er war ein Kosmopolit, ein Hypochonder, ein genialer Logiker, und er hörte gern Schlager.

[Musik: Schlager einspielen.]

Sprecher 2:

Kurt war das zweite Kind einer weitverzweigten, geachteten Brünner Großfamilie, die aus dem damals österreichisch-schlesischen, heute tschechischen Taubnitz eingewandert war. Brünn war damals die Hauptstadt des zum österreichisch-ungarischen Kaiserreich gehürenden Mährens.

Sprecher 3:

Die Familie Gödel lebte in einer luxuriösen Villa und verkehrte in der sudetendeutschen Gemeinschaft, welche damals die Mehrheit der Einwohner bildete. Kurts Vater Rudolf war gelernter Weber. Gemäß der Familientradition in der Lederherstellung und dem Textilhandel führte er in Brünn ein großes Textilgeschäft. Schon Kurts Großvater Josef war Lederhändler gewesen.

Sprecher 2:

Kurt wurde am 28. April 1906 in Brünn geboren. Seine Mutter Marianne war ebenso wie sein Vater deutschsprachig, zuhause lernte Kurt Deutsch als Muttersprache.

Sprecher 1:

Er war ein wißbegieriges Kind; schnell wurde ihm der Spitzname Der kleine Herr Warum verpaßt. Der Junge nervte seine Eltern mit dauernden Fragen und der Suche nach Begründungen.

Sprecher 3:

Wie sein älterer Bruder, der wie sein Vater Rudolf hieß, wurde Kurt auf einer privaten deutschen Schule angemeldet, wo er stets sehr gute Leistungen erbrachte. Sein besonderes Interesse galt den Sprachen und der Geschichte. Er las schon als Jugendlicher die Werke von Kant, Goethe und Newton. Ein Mitschüler erinnert sich:

Zitator:

Von Anfang an war Kurt eher zurückgezogen und beschäftigte sich hauptsächlich mit seinen Studien.

Sprecher 1:

In seiner gesamten Schulzeit auf dem Realgymnasium standen in seinen Zeugnissen stets Bestnoten, mit einer einzigen Ausnahme, ausgerechnet in Mathematik: eine Zwei.

Sprecher 2:

Als Kurt sechs Jahre alt war, bekam er rheumatisches Fieber mit schmerzhaften Gelenkentzündungen. Obwohl die Erkrankung nach einiger Zeit geheilt wurde, war er danach nicht mehr derselbe. Später bemerkte ein Kollege:

Zitator:

Kurt was convinced ever afterwards that he had a bad heart, that he'd keel over and die if he didn't keep himself warm enough and eat just right. He's been mentally unstable since childhood.

Sprecher 3:

Kurt wurde nach dem Ende von Österreich-Ungarn mit zwölf Jahren tschechoslowakischer Staatsbürger. Er bemerkte dazu, er habe sich gefühlt wie ein..

Zitator:

..österreichischer Verbannter in Tschechoslowakien.

Sprecher 1:

Die Schule schloß er 1923 mit Auszeichnung ab. Daß er ein Studium beginnen würde, stand für ihn außer Frage. In Brünn konnte er daher nicht bleiben.

Sprecher 3:

Sein Studium nahm Kurt Gödel im Jahr darauf in Wien im Alter von 18 Jahren auf und zog aus der elterlichen Brünner Prachtvilla aus. Einer seiner Dozenten charakterisierte ihn später als..

Zitator:

..einen schmächtigen, außerordentlich stillen jungen Mann.

[Musik einspielen, stehenlassen und im nächsten Absatz ausblenden.]
Zweite Szene: Wiener Kreis

Sprecher 1:

Gödel wußte noch nicht, daß er fünfzehn Jahre in Wien bleiben würde. Er wollte dort ursprünglich theoretische Physik studieren, entdeckte aber durch die Vorlesungen der Mathematiker Hans Hahn und Philipp Furtwängler sein besonderes Interesse an der Mathematik und wechselte den Studiengang.

Sprecher 2:

Hans Hahn war es auch, der 1926 den offensichtlich begabten Studenten in den erst vor kurzem gegründeten Wiener Kreis einlud. Dieser Kreis war eine Gruppe von Intellektuellen, die sich 1907 in Wien gegründet und in den folgenden Jahren dort etabliert hatte.

Sprecher 1:

Gödel folgte der Einladung, blieb aber in den Gesprächen stets reserviert und zurückhaltend. Als einer der jüngsten Mitglieder des Kreises ließ er nie verlauten, daß er oft anderer Meinung war als die Mehrheit der Wissenschaftler.

Sprecher 3:

Das damalige Wien war die Hochburg der Wissenschaft, vor allem der Philosophie. Karl Popper und Ludwig Wittgenstein galten als zentrale Figuren in diesem Milieu. Es war die perfekte Stadt für den angehenden Wissenschaftler Gödel, denn der von Moritz Schlick und Hans Hahn gegründete Wiener Kreis beflügelte sein Denken – gerade wegen mancher Gegensätze.

Sprecher 2:

Der Wiener Kreis traf sich nicht nur jeden zweiten Donnerstag abends in einem kargen Raum in der mathematischen Fakultät, die sogenannten Wittgensteinianer versammelten sich auch in der Zwischenzeit. Herbert Feigl, damals studentisches Mitglied des Wiener Kreises und später ein berühmter Wissenschaftstheoretiker, berichtet über Kurt Gödel:

Zitator:

Was die persönliche Seite anbelangt, sollte ich erwähnen, daß Gödel, ein weiterer Student, der ebenfalls dem Kreis angehörte, und ich enge Freunde wurden. Wir trafen uns häufig zu Spaziergängen in den Wiener Parks und führten in den Kaffeehäusern endlose Gespräche über logische, mathematische, epistemologische und wissenschaftsphilosophische Fragen – manchmal bis tief in die Nacht hinein.

Sprecher 2:

Sie blieben lange wach und schliefen bis Mittag – ein typisches Studentenleben. Herbert Feigl charakterisierte Gödel, der von Freunden gern Godelius gerufen wurde, in dieser Zeit als..

Zitator:

..einen sehr bescheidenen, fleißigen Arbeiter und ganz offensichtlich ein Genie allererster Ordnung.

Sprecher 3:

Es waren die studentischen Jahre, in denen der ansonsten verschlossene und in sich gekehrte Gödel noch oft am gesellschaftlichen Leben teilnahm. Unter den Studentinnen war der sensible junge Mann beliebt, er traf sich zuweilen mit Verehrerinnen. In einem Wiener Nachtlokal lernte Kurt Gödel aber dann eine Tänzerin kennen, die sein Herz eroberte.

Sprecher 1:

Ihr Name war Adele Nimbursky, und Kurt Gödel verheimlichte seine Beziehung zu ihr für fast zehn Jahre, denn sie war eine geschiedene Frau. Das letzte, was sich die Eltern wünschten, war, daß ihr Kurtele eine geschiedene Tänzerin ehelichte.

Sprecher 3:

Doch sie blieben trotz der heftigen Einwände von Kurts Eltern ein Paar. Die Heirat fand im Sommer 1938 statt. Adele, die Kurt oft liebevoll Kurtsy nannte, sollte ihn sein ganzes Leben begleiten und die wichtigste Person in seinem Leben bleiben.

Sprecher 2:

Sein Vater Rudolf starb 1929, Kurt und seine Familie trauerten lange. In dieser Zeit ging er nur noch selten zum Wiener Kreis, ab 1930 sah man ihn gar nicht mehr bei den Treffen.

Sprecher 1:

Er machte sich dennoch schon kurz nach Ende seines Studiums einen internationalen Namen im Feld der mathematischen Logik. Der erste Schritt war seine Dissertation über..

Zitator:

..Die Vollständigkeit des logischen Funktionenkalküls (erster Ordnung)..

Sprecher 1:

..die er 1929 an der Universität einreichte und 1930 veröffentlicht wurde. Wenig später folgte seine Habilitationsschrift, die er am 17. November 1930 einreichte, mit dem Titel..

Zitator:

..Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme.

Sprecher 1:

Sie erschien nach nur drei Monaten im Januar 1931 in den Monatsheften für Mathematik und Physik. Damit begann eine steile akademische Karriere, die in dieser Zeit ihren Anfang nahm.

Sprecher 3:

Mit 23 Jahren war er österreichischer Staatsbürger geworden und lehrte in Wien an der Universität, wo auch sein älterer Bruder Rudolf als erfolgreicher Radiologe arbeitete. Kurt hielt Vorlesungen als Privatdozent für mickrige 2 Schilling 90 im Semester. Dafür konnte man im damaligen Wien nicht mal zwei Bier kaufen.

[Musik einblenden, stehenlassen und im nächsten Absatz ausblenden.]
Dritte Szene: Die Unvollständigkeitssätze

Sprecher 1:

Sein Gesellenstück war der Vortrag in Königsberg, den Gödel am 6. September 1930, dem dritten und letzten Tag der Konferenz für Erkenntnislehre der exakten Wissenschaften, gab. Die Exzellenzen der deutschen Mathematik und Philosophie waren hier zusammengekommen. Gödel zählte als junger Logiker, der eben erst seine Dissertation beendet hatte, nicht dazu, durfte aber einen zwanzigminütigen Vortrag halten.

Sprecher 2:

Er bewies darin formal, daß in einem widerspruchsfreien Axiomensystem, das genügend reichhaltig ist, um die Arithmetik abzubilden, und dabei hinreichend einfach ist, Aussagen existieren, die weder bewiesen noch widerlegt werden können. Er zeigte, daß dadurch eine vollständige Axiomatisierung unmöglich ist. Der Wittgenstein-Biograph Ray Monk schrieb nicht ohne Bewunderung:

Zitator:

Gödel stellte mit seinem Unvollständigkeitsbeweis alle anderen Konferenzbeiträge in den Schatten.

Sprecher 2:

Allerdings waren zunächst die Reaktionen auf seinen Beweis ausgesprochen verhalten. Die von Gödels Doktorvater Hans Hahn geleiteten Diskussionen auf der Tagung gingen weiter wie zuvor.

Sprecher 3:

Der einzige Zuhörer, der sofort begriff, was Gödels Vortrag zu bedeuten hatte, war John von Neumann, der geniale Mathematiker und einer der Väter des Computers. Er reagierte enthusiastisch und befand zugleich:

Zitator:

Die Logik wird nie mehr dieselbe sein.

Sprecher 3:

John von Neumann dachte auch nach der Konferenz weiter über die Implikationen von Gödels Beweis nach. Als er wieder zuhause war, schrieb er ihm bereits am 20. November 1930 in einem Brief:

Zitator:

Hey! There is a consequence of the argument of the incompleteness theorem and that is that a system can't proof his own consistency if it's efficiently strong.

Sprecher 3:

Gödel hatte dies jedoch bereits erkannt und erwiderte nur:

Zitator:

Well, it happens I just sent in this paper for publication and I stated the Second Incompleteness theorem.

Sprecher 3:

Zwar hatte der Beweis des ersten Unvollständigkeitstheorems unmittelbar nach Gödels Vortrag kaum Widerhall gefunden, dafür breiteten sich die Schockwellen beider Beweise nun nach und nach in der Mathematik aus. Noch heute sagt ein Kollege:

Zitator:

Still extremely shocking is Gödel's first incompleteness theorem, since here we have logic and mathematics showing that logic and mathematics have serious limitations, surprisingly enough. Incompleteness shows that the truth is not totally black or white, not even in pure math, not even in the domain of pure reason. This is very difficult emotionally for mathematicians to accept.

Sprecher 1:

Wenn sich eine formale mathematische Theorie mit dem Unendlichen befaßt, so ist sie also notgedrungen unvollständig. Obwohl der geniale Beweis auch als eine von Gödel niemals ausgesprochene Replik auf die Diskussionen im Wiener Kreis zu verstehen sein könnte, sagte er später:

Zitator:

Wittgensteins Ansichten zur Philosophie der Mathematik hatten keinen Einfluß auf meine Arbeit.

Sprecher 1:

Er hatte sich gedanklich längst vom Wiener Kreis entfernt und seinen eigenen Arbeitsstil gefunden. Einer seiner langjährigen Freunde, der österreichische Mathematiker Karl Menger, bewunderte dabei den exakten Sprachstil Gödels:

Zitator:

Seine Ausdrucksweise, mündlich sowie schriftlich, war stets von höchster Präzision und dabei von unübertrefflicher Kürze.

Sprecher 2:

Kurt Gödel hatte also mit seinem Unvollständigkeitssatz die Existenz unlösbarer Probleme nachgewiesen. Außer wahr und falsch gab es nun eine neue Kategorie: unentscheidbar. Joseph Weizenbaum bemerkte dazu später:

Zitator:

Aber kein Mensch hörte deswegen mit seiner Arbeit auf. Physiker, Mathematiker und Philosophen akzeptierten mehr oder weniger dankbar die unleugbare Wahrheit.

Sprecher 1:

Der zweite Unvollständigkeitssatz gab erstmals eine Antwort auf eine Frage, die David Hilbert im Jahr 1900 auf dem Zweiten Internationalen Mathematiker-Kongreß in Paris gestellt hatte. Hilbert, der berühmteste Mathematiker seiner Zeit, hatte dort einen Grundsatzvortrag mit dem Titel Mathematische Probleme gehalten.

Sprecher 3:

Er skizzierte darin 23 wichtige ungeklärte mathematische Fragen, die es im beginnenden neuen Jahrtausend zu lösen galt. Das zweite dieser Probleme war der Nachweis der Widerspruchsfreiheit der Axiome der Arithmetik. Hilbert forderte die Mathematiker auf:

Zitator:

Da ist das Problem, suche die Lösung. Du kannst sie durch reines Denken finden.

Sprecher 2:

Gödel erbrachte dreißig Jahre später den Beweis, daß die Widerspruchsfreiheit der arithmetischen Axiome innerhalb der Arithmetik prinzipiell nicht gezeigt werden kann. In seiner präzisen Sprache formulierte er es so:

Zitator:

In hinreichend komplexen Kalkülen wie der Arithmetik, gibt es wahre Aussagen, für die kein Beweis existiert.

Sprecher 2:

Der damals erst 23-Jährige hatte damit gleichzeitig gezeigt, daß die Logik und die Mathematik insgesamt auf unsicherem Boden standen: Er brachte die Welt der Wissenschaft ins Wanken.

Sprecher 3:

Aus den Gödelschen Unvollständigkeitstheoremen ergibt sich auch, daß es kein Computerprogramm geben kann, das alle wahren mathematischen Sätze und keinen einzigen falschen mathematischen Satz erzeugt. Der Mathematiker und Physiker Roger Penrose formuliert diese Erkenntnis anders:

Zitator:

Gödel's theorem shows that there must be more to human thinking than can ever be achieved by a computer.

Sprecher 3:

Gödel selbst war sich dieser Erkenntnis bewußt und begründet sie in seiner eigenen Logik so:

Zitator:

This is so, because, if the mind were a machine, there should, contrary to this rationalistic attitude, exist number-theoretic questions undecidable for the human mind.

Sprecher 2:

Viele Mathematiker und Philosophen erkannten in den folgenden Jahren die fundamentale Bedeutung von Gödels Arbeiten an. Nur der Übervater des Wiener Kreises, Ludwig Wittgenstein, hatte wenig Achtung für die..

Zitator:

..logischen Kunststückchen..

Sprecher 2:

..und die strenge mathematische Beweisführung Gödels, wie er in seinen Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik schrieb. Den Logiker selbst erzürnte Wittgensteins Aussage wenig, er tat ihn als jemanden ab, der ihm mathematisch nicht das Wasser reichen konnte. Er bemerkte später über die Passage des Wittgenstein-Buches zu seinen Theoremen über unentscheidbare Sätze, daß sie unsinnig sei und..

Zitator:

..daß Wittgenstein sie nicht verstanden hat beziehungsweise vorgab, sie nicht zu verstehen.

Sprecher 1:

Die beiden Wissenschaftler hatten sich in Wien und auch später nie getroffen, auch keine Briefe ausgetauscht. Es blieb eine indirekte Kommunikation, der Gödel kaum Bedeutung beimaß. Sein Leben war durch die Mathematik und die Gesetze der Logik durchdrungen, verstand jemand seine formale mathematische Sprache nicht, gab es auch nichts zu bereden.

Sprecher 3:

Dabei waren aus Gödels Sicht viele wissenschaftliche Fragen mit Hilfe der Logik zu erforschen. Noam Chomsky erinnert sich, den menschenscheuen, immer etwas exzentrischen Gödel bei einem Gespräch nach seinen aktuellen Forschungen befragt zu haben. Der gewöhnlich nicht sehr gesprächige Logiker gab ihm nur die knappe Antwort:

Zitator:

Ich versuche zu beweisen, daß die Naturgesetze a priori wahr sind.

[Musik einblenden, während des Übergangs stehenlassen, im nächsten Absatz ausblenden.]
Vierte Szene: A Legendary Friendship

Sprecher 1:

Gödel kam am 6. Oktober 1933 aufgrund einer Einladung nach Princeton, New Jersey. Dort war 1930 das Institute for Advanced Study gegründet worden, eine elitäre Forschungseinrichtung für Mathematik, Philosophie und Geschichte. Der Logiker hielt im Frühjahr 1934 seine ersten Vorlesungen zu den Unvollständigkeitssätzen. Seine Mutter war so stolz auf diese Einladung, daß sie sogar eine kurze Nachricht in der Zeitung abdrucken ließ.

Sprecher 3:

Die Nachricht in der Zeitung wurde kaum wahrgenommen, denn zuhause in Europa drehten sich die Meldungen um Hitler und seine Politik: Der Krieg bahnte sich bereits unausweichlich an. Doch Gödel fühlte sich zunächst nicht betroffen, da er von der sogenannten »rassischen« Verfolgung verschont blieb, als er 1934 nach Wien zurückkehrte. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß er ein Jude gewesen sei und deswegen von den Nazis verfolgt worden wäre. Die Legende geht auf Bertrand Russells Autobiographie zurück, in der dies fälschlicherweise behauptet wurde.

Sprecher 1:

Dennoch beeinflußte die politische Situation in Europa das Leben des jungen Wissenschaftlers. Nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich erhielt der nun 32-Jährige automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft. Er entschloß sich wenig später, die Universität Wien zu verlassen, denn fast alle seiner Kollegen waren von den Nazi-Verfolgungen betroffen. Wissenschaftlich war er damit in Wien isoliert.

Sprecher 3:

Adele und Kurt wurden 1938 außerdem Opfer eines Überfalls, Kurts Brille ging dabei zu Bruch und sie erlitten einige Verletzungen. Adele konnte die Angreifer aber mit ihrem Regenschirm in die Flucht schlagen. Nachdem Gödel in Wien wenig später einen Musterungsbescheid des inzwischen von Deutschland annektierten Österreichs zugestellt worden war, beschlossen sie, Europa endgültig zu verlassen.

Sprecher 2:

Doch sie mußten dazu einige bürokratische Hürden überwinden, denn Gödels Visum zur Wiedereinreise in die USA war abgelaufen. So mußte er sich 1939 tatsächlich von der Wehrmacht mustern lassen. Kurt und Adele fühlten sich in Wien gefangen und hatten kaum Hoffnung, dem gerade beginnenden Krieg noch zu entrinnen.

Sprecher 1:

Doch John von Neumann, der berühmte Mathematiker, betonte in einem Schreiben des Institutes for Advanced Study die besondere Wichtigkeit, daß für Gödel ein Visum ausgestellt werden müsse. Er schrieb:

Zitator:

Gödel is absolutely irreplaceable!

Sprecher 2:

Das Institute for Advanced Study rettete also ihn und Adele mit einem neuen Visum davor, direkt in das Kriegsgeschehen hineingezogen zu werden. Im Januar 1940 flohen Adele und ihr Mann Richtung Osten.

Sprecher 3:

Das Paar fuhr mit der transsibirischen Eisenbahn durch die Sowjetunion bis nach Asien, dann ab Yokohama mit dem Schiff nach San Francisco. Mitte März erreichten sie endlich mit dem Zug Princeton. Oskar Morgenstern erinnert sich in seinem Tagebuch so an den Moment der Ankunft:

Zitator:

Gödel ist aus Wien gekommen, via Sibirien. Diesmal mit Frau. Nach Wien befragt, antwortet Gödel: »Der Kaffee ist erbärmlich.« Er ist sehr spaßig in seiner Mischung von Tiefe und Weltfremdheit.

Sprecher 1:

Die bürokratischen Mühlen in Wien arbeiteten aber weiter: Im Juni 1940 wird Gödel trotz seiner Flucht vom Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung »im Namen des Führers« zum Beamten ernannt. Doch Gödel kehrte nie wieder nach Wien zurück. Er schrieb seinem Bruder viele Jahre – bis weit nach Kriegsende – immer wieder, daß er nach Europa kommen wolle, doch er brachte es nie mehr über sich.

Sprecher 2:

Gegen Ende des Krieges nahm Kurt seine verwitwete Mutter Marianne zu sich nach Princeton, um sie vor den unmittelbar nach Kriegsende in Brünn einsetzenden Deutschenverfolgungen zu retten.

Sprecher 3:

Wie viele tausend Wissenschaftler und Künstler aus Europa war die Familie Gödel nun in der Neuen Welt gestrandet. Kurt ahnte bereits, daß es ein längerer Aufenthalt werden würde. Kaum in den USA seßhaft geworden, ersuchte er daher am 2. April 1948 um die amerikanische Staatsbürgerschaft. Er wurde auf dem Gang zum Amt von Oskar Morgenstern und Albert Einstein begleitet, die als Bürgen fungierten. Der zuständige Beamte nahm seine Daten auf und quittierte die Angabe Gödels, aus der Stadt Wien zu kommen, mit der Bemerkung:

Zitator:

Ah, under an evil dictatorship.

Sprecher 3:

Nein, korrigierte ihn Gödel, als er in Wien gelebt habe, sei Hitler noch nicht an der Macht gewesen.

Zitator:

Anyhow, another dictatorship. But fortunately that's not possible in America.

Sprecher 3:

Gödel wies dies entschieden von sich:

Zitator:

On the contrary! I know how this can happen!

Sprecher 2:

Der Beamte hatte wohl nicht erwartet, daß Gödel daraufhin wild erregt die amerikanische Verfassung rezitieren würde und ihn auf eine frappierende logische Lücke in ihr hinwies, die sehr wohl in den USA eine rigide Diktatur erlauben würde.

Sprecher 3:

Nur Gödels Bürgen Albert Einstein ist es zu verdanken, daß dieser Vorfall nicht zur sofortigen Ablehnung des Ersuchens führte. Der damals bereits berühmte Einstein intervenierte entschlossen, so daß der Einbürgerung stattgegeben wurde. Gödel wurde also mit 42 Jahren amerikanischer Staatsbürger.

Sprecher 1:

Der Neubürger blieb als Wissenschaftler isoliert und immer im Schatten von Einstein und den anderen Großen in Princeton. Viele seiner Kollegen verstanden den Mathematiker nicht, der privat Micky Mouse mochte – seine Persönlichkeit, aber auch seine mathematischen Arbeiten galten auch unter den verschrobenen Gelehrten als sonderbar. Armand Borel hielt etwa in den Annalen des Instituts fest:

Zitator:

Ich empfinde die Logik von Aristoteles' Nachfolger als ziemlich verworren.

Sprecher 1:

In einem Interview hatte Gödel es einmal so formuliert:

Zitator:

I do not fit into this century.

Sprecher 3:

Dabei hatte Gödel 1937 neben den Unvollständigkeitssätzen eine Antwort auf die Kontinuumshypothese gefunden, an der Georg Cantor und David Hilbert gescheitert waren – nur nicht, wie es sich die führenden Mathematiker ihrer Zeit erhofft hatten, sondern raffinierter und gleichzeitig irritierender. Gödel blieb gerade deshalb zu seinen Lebzeiten von seinen Kollegen vielfach unverstanden. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

Sprecher 2:

Dem weltweit berühmten Kollegen Albert Einstein und seinen Arbeiten steht ein ebenso bahnbrechendes Werk Kurt Gödels gegenüber. Die Männer, die in den 50er Jahren in Princeton mehrmals die Woche lange Spaziergänge unternahmen, sind Revolutionäre ihrer Wissenschaften – doch Gödel blieb ein unbekannter Logiker, Einstein das berühmteste Gesicht der Physik.

Sprecher 3:

Der eine, Einstein, bereits über 70 Jahre alt, wirres weißes Haar, stets locker gekleidet, meist ohne Socken, mit rundlicher Figur und freundlichen Augen, war schon zu Lebzeiten eine Legende und gleichzeitig..

Zitator:

..eine gesellige Frohnatur von gesundem Menschenverstand.

Sprecher 3:

Der andere, der 27 Jahre jüngere Gödel, war dagegen schweigsam und stets im Anzug, exakt gescheiteltes Haar, auch bei schönem Wetter oft in langem Mantel und Schal, asketisch, blaß und schmal. Er wird von seinen Zeitgenossen beschrieben als..

Zitator:

..sehr ernst, unnahbar, ein Einzelgänger.

Sprecher 2:

Sie wurden dennoch enge Freunde, führten lange Gespräche in ihrer deutschen Muttersprache. Einstein bemerkte einmal gegenüber Oskar Morgenstern, daß er eigentlich kaum mehr Wert auf seine eigenen Forschungen lege und nur zur Arbeit käme..

Zitator:

..um das Privileg zu haben, mit Gödel zu Fuß nach Hause gehen zu dürfen.

Sprecher 1:

Was ihre Forschungen betraf, waren sie jedoch höchst selten einer Meinung. In einem Brief schrieb Gödel 1955 über seinen gerade verstorbenen Freund:

Zitator:

Ich habe oft darüber nachgedacht, warum wohl Einstein an den Gesprächen mit mir Gefallen fand, und ich glaube, eine der Ursachen darin gefunden zu haben, daß ich häufig der entgegengesetzten Ansicht war und kein Hehl daraus machte.

Sprecher 1:

Armand Borel beobachtete viele Jahre das ungleiche Paar und deren lange Spaziergänge:

Zitator:

They wouldn't speak to anybody else, they only speak to each other: a legendary friendship.

Sprecher 1:

Der rege Kontakt, den die beiden über fünfzehn Jahre hinweg gepflegt hatten, war ungewöhnlich für den ansonsten unzugänglichen und notorisch zurückgezogen lebenden Gödel, der aus seiner Kammer kaum je hinausging.

Sprecher 2:

Ersatz für den Freund hat sich in den Jahren danach nie gefunden. Resigniert stellte Kurt Gödel 1955 fest:

Zitator:

Now I have nobody to talk to.

[Musik einspielen, stehenlassen und im nächsten Absatz ausblenden.]
Fünfte Szene: Genie und Irrsinn

Sprecher 1:

Viele Wissenschaftler tragen Charakterzüge, die ein bißchen wunderlich wirken. Die Mathematiker John Nash und Georg Cantor etwa kämpften jahrelang mit psychischen Erkrankungen. Isaac Newton galt als paranoid. Kurt Gödel war stark hypochondrisch.

Sprecher 3:

Immer wieder durchlebte er schwere psychische Krisen und Zusammenbrüche, verbrachte Zeit in Nervenheilanstalten. Er machte sein halbes Leben lang absonderliche Diäten, maß wie besessen immer wieder seine Körpertemperatur, nahm große Mengen Medikamente ein, deren Einnahme er akribisch dokumentierte. Er glaubte jahrzehntelang fest, daß giftige Gase aus seinem Kühlschrank kommen würden.

Sprecher 2:

Kurt Gödel war mit 28 Jahren in Wien nach einem seelischen Zusammenbruch bereits in eine psychiatrische Klinik und danach ins Sanatorium Purkersdorf eingewiesen worden. Dort wurde er 1934 mehrere Monate wegen Depressionen und Zwangsvorstellungen behandelt.

Sprecher 3:

Einen weiteren Nervenzusammenbruch erlitt er, nachdem er vom Tod seines Mentors Moritz Schlick erfahren hatte. Der Professor war 1936 von einem Nazi-Studenten auf den Treppenstufen der Wiener Universität ermordet worden. Dieser Vorfall nahm den jungen Gödel sehr mit, denn er kannte den Mörder gut: Er war ein Kommilitone und zudem in derselben psychiatrischen Klinik in Behandlung gewesen wie er selbst.

Sprecher 1:

In den dreißiger Jahren pendelte der Wissenschaftler beständig zwischen den Vorlesungssälen in Princeton und dem Sanatorium in Österreich, da er in dieser Zeit häufig auf psychiatrische Hilfe angewiesen war.

Sprecher 3:

Wieder und wieder mußten daher seine Vorlesungen ausfallen. So schrieb er 1937 nur eine Postkarte mit einem knappen Satz nach Princeton:

Zitator:

Ich bin leider gezwungen, die Vorlesung »Axiomatik der Mengenlehre« in diesem Semester wieder abzusagen.

Sprecher 2:

Freunde und Kollegen, die Österreich bereits verlassen hatten, sorgten sich um Gödel, der noch in Wien war. Sie wußten um sein labiles Seelenleben. So schrieb der besorgte Karl Menger an Franz Alt in Wien, daß er nach Gödel sehen solle:

Zitator:

Der Himmel weiß, in was er sich einspinnen könnte, wenn er nicht von Zeit zu Zeit Dich und die anderen Wiener Freunde spricht. Sei deshalb auf meine Verantwortung wenn nötig auch zudringlich.

Sprecher 2:

Doch Franz Alt sah sich außer Stande, Gödel zu helfen, denn kurz nachdem Karl Menger den Brief abgeschickt hatte, griff Hitler in Österreich nach der Macht, und Franz Alt mußte nach Amerika fliehen.

Sprecher 1:

Die Behandlungen in der Klinik halfen nicht viel, Gödels Ängste blieben. Aufgrund seiner Befürchtung, er könnte vergiftet werden, hatte er seine Frau Adele schon vor Jahren in Wien dazu gebracht, sein Essen vorzukosten. Seine selbst erfundene tägliche Diät bestand dabei aus exakt 125 Gramm Butter, drei Eiern, dazu das geschlagene Eiweiß von zwei weiteren Eiern, Milch, Kartoffelbrei und Babynahrung, selten etwas Fleisch. Durch dieses zwanghafte Verhalten war er chronisch unterernährt.

Sprecher 3:

Um den notorischen Einzelgänger rankten sich unter seinen Kollegen in Amerika immer mehr Geschichten über sein merkwürdiges Verhalten. So berichtet John von Neumanns Frau Mariette, daß Gödel zuweilen in das Haus der von Neumanns in Princeton kam, um sich ein Buch zu entleihen. Allerdings nahm er es nicht mit. Er setzte sich vielmehr in einen Sessel und las es auf der Stelle durch. Mariette war davon nicht immer begeistert, denn manche seiner Bücher lagerte ihr Mann im Schlafzimmer, das Gödel dann zuweilen stundenlang okkupierte.

Sprecher 1:

Seine wissenschaftliche Arbeit litt wegen der Isolation von seinen Kollegen, aber auch unter seinem Gesundheitszustand. Er besuchte zwar kaum noch Konferenzen und Kolloquien, hielt aber seinem Institut über mehrere Dekaden hinweg die Treue. Zwanzig Jahre nach seinem ersten Besuch in Princeton wurde er 1953 auch Mitglied der Fakultät und Professor. Sein letzter veröffentlichter Artikel erschien 1958.

Sprecher 2:

Seine Kammer in Princeton verließ der schrullige Wissenschaftler in dieser Zeit immer seltener. Er hatte dort zwar ein Telefon, ignorierte das Klingeln jedoch häufig, wie Kollegen aus den Nachbarbüros berichteten. Gelang es jemandem, ihn zum Abheben des Hörers zu bewegen, erklang die hohe Stimme Gödels, stets höflich, dabei jedoch sehr distanziert.

Sprecher 3:

Kollegen berichten, daß eine Vereinbarung zu einem persönlichen Treffen telefonisch problemlos möglich war: Gern verabredete sich der Logiker mit genauem Ort und exakter Zeitangabe. Der meist erfreute Anrufer, der pünktlich zum Treffpunkt erschien, wartete jedoch in der Regel vergeblich. Gödel erschien einfach nicht.

Sprecher 2:

Als sich immer mehr Kollegen bei Gödels Freund Einstein beschwerten, fragte er ihn eines Tages, warum er Verabredungen treffe, die er ohnehin nie einzuhalten gedenke. Gödel hatte eine logische Erklärung:

Zitator:

Einfach deshalb, um sicherzugehen, daß mir dort, wo ich zu dem verabredeten Zeitpunkt sein werde, dieser lästige Mensch garantiert nicht über die Quere läuft.

Sprecher 2:

Konnte einer der jungen Logiker ihn doch zu einem Treffen in seiner Kammer in Princeton überreden, zeigte sich Gödel stets gut über deren Arbeiten informiert und sprach kritische Fragen immer sehr direkt an. Nach exakt einer halben Stunde klingelte jedoch Gödels Armbanduhr. Dann sagte er:

Zitator:

I have to take my pills.

Sprecher 2:

Besucher wußten, daß dies der Moment zum Verlassen des Büros war.

Sprecher 1:

Sein körperlicher Zustand verschlechterte sich jedoch zusehends. Ging er doch mal unter Menschen, war er schnell umringt von Studenten, die ihn ehrfürchtig beäugten und mit Fragen überhäuften. Über eine Gartenparty des Instituts 1973 schrieb Oskar Morgenstern:

Zitator:

Er war in selten guter Verfassung und hielt Hof inmitten einer Gruppe junger Logiker.

Sprecher 2:

Mit Adele hatte Kurt Gödel ein kleines Holzhaus mit roten Ziegeln erworben – 145 Lindon Lane in Princeton. Es war keine der besseren Gegenden in Princeton, und Gäste wurden selten empfangen. Die wenigen Besucher des Hauses erinnern sich zumeist nur an ein Detail des Gartens: ein einbeiniger pinkfarbener Plastik-Flamingo. Gödels Biographin Rebecca Goldstein vermutet aber zu seiner Ehrenrettung:

Zitatorin:

Misses Gödel had a lot to do with the pink flamingo...

Sprecher 1:

Viele Gäste empfing das Paar dort nicht. Gegenüber seinem Freund Einstein begründete Kurt Gödel dies einmal so:

Zitator:

You know, Albert, I am living in a quarter of Princeton where only poor people and immigrants live. I would like to invite you very much, but my house would not be good enough for you. And my wife sometimes cooks strange food.

Sprecher 2:

Der ungesellige Mann mit der seltsamen Dekoration im Garten hatte die Wissenschaft umgekrempelt: Durch seine mathematischen Arbeiten wurde die Logik nun der Mathematik zugerechnet, und nicht mehr nur der Philosophie. Ein Kollege in Princeton unterstreicht:

Zitator:

Most logician are now employed by departments of mathematics rather than departments of philosophy.

Sprecher 1:

Die Harvard-Universität verlieh dem Emigranten das Ehrendoktorat für die Entdeckung der bedeutsamsten mathematischen Wahrheit des Jahrhunderts. Öffentlich trat Gödel 1972 das letzte mal auf, zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Rockefeller-Universität. Als ihm 1975 die National Medal of Science verliehen wurde, konnte er sie aufgrund seines labilen Gesundheitszustands nicht mehr persönlich in Empfang nehmen.

Sprecher 2:

Am 1. Juli 1976, im Alter von 70 Jahren, ging er in den Ruhestand. Das Institut verlor damit seinen wichtigsten Logiker. John von Neumann schrieb:

Zitator:

Gödel ist tatsächlich absolut unersetzlich. Er ist der einzige Mathematiker, von dem ich das zu behaupten wage.

Sprecher 2:

Später fügte er hinzu:

Zitator:

Er ist der größte Philosoph seit Aristoteles.

Sprecher 1:

So einzigartig wie Gödel für die Mathematik war, so unersetzlich war in seinem eigenen Leben seine sechs Jahre ältere Frau Adele. Als sie kurz nach einem Schlaganfall 1977 erneut schwer erkrankte, operiert wurde und mehrere Monate in ein Hospital mußte, aß und trank er kaum noch. Einer seiner Biographen hielt dazu fest:

Zitator:

This was the kiss of death for Kurt Gödel.

Sprecher 1:

Der ohnehin abgemagerte und geschwächte Gödel verlor stark an Gewicht, nahm später gar keine Nahrung mehr zu sich. Wie schon oft in seinem Leben lehnte er eine ärztliche Behandlung aber ab.

Sprecher 2:

Im Dezember 1977 kam Adele zurück nach Hause. Sie fand ihn morgens in sich gekrümmt in seinem Bett. Ihr Mann wog kaum mehr 30 Kilo.

Sprecher 3:

Er war stark dehydriert und wurde ins Princeton Hospital eingeliefert. Dort starb er wenige Tage später. In seinem Totenschein, der am 14. Januar 1978 ausgestellt wurde, wird als Todesursache festgestellt:

Zitator:

Durch Persönlichkeitsstörungen verursachte Unterernährung und Schwäche.

Sprecher 2:

Aus Angst vor einer Vergiftung war er verhungert. Er folgte seiner eigenen Logik in diesem kritischen Moment. Vor lauter Angst, vergiftet zu werden, hatte er zuletzt auch im Krankenhaus jegliche Nahrungsaufnahme verweigert.

Sprecher 1:

Er wurde auf dem Friedhof in Princeton beigesetzt. Seinen Nachlaß, der aus 43 Kisten mit Papieren und Dokumenten bestand, durchforstete der Mathematiker John Dawson zwei Jahre lang.

Sprecher 2:

Viele seiner Notizen hatte Gödel in Gabelsberger verfaßt, einer stenographischen Kurzschrift, die auf den Erfinder der deutschen Stenographie Franz Xaver Gabelsberger zurückgeht.

Sprecher 1:

Gödel hatte im Laufe der Jahre jedoch seine eigenen Abkürzungen erfunden, so waren viele der Notizen kaum verständlich. John Dawson fand jedoch in den Kisten des Nachlasses später eine Art Rosetta-Stein, der es ihm ermöglichte, die Aufzeichnungen zu entziffern. Gödel hatte sein Gabelsberger-Textbuch und sein Übungsheft aufgehoben, so daß nach und nach alle Dokumente erforscht werden konnten.

Sprecher 3:

Dawson hat all die penibel sortierten Papiere, Briefe, Rechnungen und Fotos katalogisiert und der Nachwelt zugänglich gemacht. Einer der Biographen von Gödel bemerkte über den Inhalt der Kisten:

Zitator:

There's a picture of Gödel in a swimming pool, and a shot of him drinking a glass of beer. Sometimes he's even smiling. And there are, finally, folder upon folder of letters and manuscripts from other mathematicians, from logicians the world over, cover letters sent together with journal offprints proving some little theorem or other, hoping that Gödel's eyes should gaze upon the results, hoping for a nod of recognition, a word from the master, the merest sign of approval from the high lonesome God almighty of logic.

[Musik einblenden.]
[Musik Ende.]
[Abspann.]

Die Live-Aufführung wurde mit Bildern, Animationen und Filmen via Videobeamer und Computer visuell untermalt, ebenso erschienen Text-Einblendungen für die Namen der jeweiligen Szenen.

Mit Musik von den Comedian Harmonists, Johann Strauß, dem Orchester Paul Abraham und transient.

Dieses Skript als pdf.

Hier eine Liveaufnahme des Audio Features als Video oder als mp3 vom 25c3.


Creative Commons
Some rights reserved.